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Nichts als Widersprüche.
Diese nutzt die Kommunistische Partei Chinas (KPCh), um "gleichsam Feuer und Wasser zu vereinen", und zwar nach der - auf westliche Menschen banal wirkenden - Methode, "zwei zu einem vereinen". Und das mit großem Erfolg, denn ob man die Alleinherrschaft der chinesischen Kommunistischen Partei nun mag oder nicht: "Bei der Beurteilung der letzten 25 Jahre wird man nicht um die Anerkennung herumkommen, dass unter ihrer Ägide eines der größten, wenn nicht gar das größte Wirtschaftswunder der Weltgeschichte geschaffen worden ist", zitiert von Senger den China-Korrespondenten der Neuen Zürcher Zeitung. Den wahren Grund für dieses Wunder sieht von Senger eben im Umgang mit Widersprüchen. Genauer gesagt, dem "Hauptwiderspruch": Auf dessen Lösung kanalisiere die KPCh sämtliche Energien des Milliardenvolkes.Nicht kurzfristig, sondern auf sehr lange Sicht. So ersetzte sie 1978 den Hauptwiderspruch von 1949 "chinesisches Proletariat gegen chinesische Kapitalistenklasse" durch einen neuen, der bis heute gilt und in der Parteisatzung von 2007 verankert ist: "Der Hauptwiderspruch in der chinesischen Gesellschaft ist der Widerspruch zwischen den wachsenden materiellen und kulturellen Bedürfnissen des Volkes und der rückständigen gesellschaftlichen Produktion." Ein solches, in weite Etappen gegliedertes Planen ist ganz im Sinne der alten chinesischen Denktradition Moulüe, postuliert es doch "flexibles langfristiges und weiträumiges zielgerichtetes Denken, das ständig zwischen orthodoxem und unorthodoxem strategemischem Verhalten hin und her oszilliert." Damit bewegt es sich eine Denkebene über der höchsten im Westen erschlossenen, meint von Senger. Weshalb es dafür bei uns auch keine Bezeichnung gebe. Bis jetzt: Der Sinologe übersetzt die zweite Denkquelle chinesischer Führungskräfte mit Supraplanung.
Aus zwei mach eins.
Diese setzen sie zur Auflösung des Hauptwiderspruchs gezielt ein und scheuen dabei kein Mittel. Ebenso wenig wie schier unvereinbare Gegensätze, wie die Antithese "Kapitalismus und Sozialismus" oder "Autarkie und wirtschaftliche Abhängigkeit vom Ausland" - wenn sie nur der gemeinsamen Sache dienen. Im Westen freilich kommt das ganz anders an. Hier rede man ständig von "Pragmatismus", übersehe aber die eigentliche Maxime, kritisiert von Senger. Nämlich Flexibilität mit Grundsatztreue zu verknüpfen.Zudem sei man hierzulande einfach blind gegenüber der strategemischen Denktradition des Reichs der Mitte. Denn dortige Führungskräfte greifen gerne auf das System der 36 Strategeme zurück, das zwar nur aus 138 Schriftzeichen besteht, aber die gesamte chinesische Erfahrung mit der schlauen Bewältigung prekärer Situationen bündelt. Diese Strategeme, denen von Senger sein letztes Buch gewidmet hat, sind im chinesischen Alltag mehr als präsent. Sie werden nicht nur durch Bücher verbreitet, sondern auch über Bilder, Kalender, Kunstausstellungen und Spielkarten, nicht zu vergessen TV-Serien, darunter auch solche für Kinder. Kein Wunder also, dass listkompetente Chinesen die übrige Welt gehörig unter Druck setzen. Und ihre Interessen durchsetzen.Auch wenn beispielsweise das Strategem Nummer 18 noch so banal klingen mag: "Will man eine Räuberbande unschädlich machen, muss man deren Anführer fangen." Gehe darauf doch die Logik des Hauptwiderspruchs zurück, so der Sinologe - denn das Strategem zielt auf den Kern einer Sache. Geht man den an, respektive löst den Hauptwiderspruch, dann lösen sich auch die damit verbundenen Probleme. Diese Zielrichtung verfolgt auch von Sengers Buch: Es umreißt den Kern des chinesischen Denkens und macht damit die Handlungslogik der Volksrepublik transparent - und kann damit als eine Art Meta-Ratgeber zu China gelten.
Florian Michl ist freier Mitarbeiter bei changeX.
Harro von Senger:Moulüe - Supraplanung.Unerkannte Denkhorizonte aus dem Reich der Mitte.Carl Hanser Verlag, München 2008,286 Seiten, 19.90 Euro.ISBN 978-3-446-41365-8http://www.hanser.de/
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